Das Wesen der Achtsamkeit – Mindfulness

Das Wesen der Achtsamkeit – Mindfulness

Die ursprünglichen Bedeutungen des Begriffes „Acht“ findet man einerseits in der Zahlenreihe, die von einem Längenmaß ausgestreckter 4 Finger zweier Hände abgeleitet ist. Sozusagen ein achtsames Messen mittels des Anlegens der 8 Finger (ohne Daumen) an einem Gegenstand. Andererseits in einer Ausrichtung des Achtens einem ausgesuchten Etwas gegenüber. Der Begriff Acht war einerseits ein kirchlicher oder gerichtlicher Bann, der jemanden in die Friedlosigkeit verurteilte. Jemand wurde also mit Acht versehen und war damit vogelfrei oder verbannt, jedermann sollte sich vor dieser Person in Acht nehmen. Die konträre Bedeutung der positiven Beachtung, also des sorgsamen Umganges mit Etwas oder Jemandem wird der Begriff andererseits als Achtung oder Obacht bezeichnet. Diese Form der Sorgsamkeit wird etymologisch aus indogermanischen Silben abgeleitet, die mit scharfsinnig oder spitzig (die Ohren spitzen) in Verbindung gebracht wird.

Hier tritt der Aspekt des Bewusstseins, dem Überbegriff aller Sinneswahrnehmungen, in den Vordergrund. In allen Fällen der Ableitung des Wortstammes, kann von der Notwendigkeit einer Konzentration also der bewussten Ausrichtung der eigenen Sinne auf ein Ziel ausgegangen werden. Dies ist ein Teilbereich der Achtsamkeit. Doch Achtung – nicht jede Form der Sinnesausrichtung führt zur meditativen Achtsamkeit.

„Achtsamkeit ist eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Einfach gesagt bedeutet Achtsamkeit nicht urteilendes Gewahrsein von Moment zu Moment.“  (Jon Kabat-Zinn in Das Abenteuer Achtsamkeit)

Die Aufmerksamkeit, man könnte auch sagen die Achtung, auf den gerade stattfindenden Moment zu lenken scheint ein selbstverständlicher Akt des Erlebens zu sein. Wo solle man die Aufmerksamkeit sonst hinlenken, als auf den Moment in dem wir uns gerade befinden? Es gibt einige Mechanismen unseres menschlichen Wesens, die meinen, nur bei Gefahr oder besonders außergewöhnlichen Momenten vollends auf das Geschehende zu achten. In normalen Alltagssituationen sind die Sinne meist gestreut auf die Umgebung gerichtet, in die Zukunft oder Vergangenheit gelenkt, beschäftigen sich mit Erwartungen oder problematischem Vergangenen.

All diese erwähnten Bewusstseinsströme hindern jedoch die meditative Achtsamkeit nicht im Geringsten, ausgenommen sie führen zu einem Urteil, einer Bewertung in gut und schlecht, mögen oder nicht mögen oder dergleichen. In jenen Fällen des Beurteilens tritt eine analytische Instanz in Kraft – die Kognition – welche Informationen nicht nur wahrnimmt oder annimmt so wie sie sind (vgl. Begriff der Meditationsrichtung Vipassana „die Dinge sehen wie sie sind“) sondern Informationsverarbeitung und bezugnehmendes Bewerten entsteht. Diesem Vorgang des Verstandes entkommen wir als menschliches Wesen nur schwerlich, will dieser doch beständig von einer meditativen Achtsamkeit ins bewertende Denken führen.

Hier gibt es eine, nur scheinbar, widersprüchliche Lösung in einer meditativen Technik mittels der inneren Haltung von einem das eigene Wesen umfassenden, gelassenen, verständnisvollen Behältnisses. Dieses Gefäß selbst stellt das freundliche ICH-Gefühl dar, das bereit ist, alle Regungen und Wahrnehmungen mit einzuschließen. Paradoxerweise wird auch das beurteilende Denken, in den nicht beurteilenden Behälter gelegt und kann darin verweilend zur Ruhe kommen, wie alle anderen Elemente des Moments also Emotionen, Geräusche, Körperregungen usw. Darin liegt die Haltung eines Gewährens dem Moment gegenüber so zu sein wie es im Augenblick ist.

Die Achtsamkeit führt durch die Entwicklung der Erfahrung in einen möglichen Zustand, welcher sich Gewahrsein (Awareness) nennt. In diesem Zielzustand kann sodann ein Moment nach dem Anderen sein.

Doch wie unterscheidet sich der achtsame Bewusstseinszustand von konzentrierter Wahrnehmung?

Dazu mehr in einem der nächsten Beiträge.

Alexander Knoll

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